Staatsstreich durch den Walküre-Befehl
Am 20. Juli 1944 platzierte Claus Schenk Graf von Stauffenberg während einer Lagebesprechung in einer Lagerbaracke des Führerhauptquartiers „Wolfsschanze“ bei Rastenburg (heute Ketryzn, Polen) eine Bombe mit dem Ziel, Adolf Hitler tödlich zu verletzen.
Nach der Explosion sollte mit Hilfe des Walküre-Befehls ein Staatsstreich erfolgen. Dieser Befehl wurde ursprünglich ausgearbeitet, um potenzielle Aufstände gegen das nationalsozialistische Regime zu unterdrücken. Henning von Tresckow und Claus Schenk Graf von Stauffenberg änderten den Befehl ab 1943 ab, um darauf aufbauend das System zu stürzen. Zu den wichtigsten Punkten des Unternehmens gehörte die Verhaftung zentraler Personen der SS, SD, Gestapo und NSDAP. Die strategisch wichtigen Positionen in der Regierung sollten neu besetzt werden, ebenso die Oberbefehlsgewalt über die Wehrmacht.
Der Plan scheiterte jedoch, und Hitler überlebte leicht verletzt. Obwohl die Gruppe um Stauffenberg den Plan wie vorgesehen weiterverfolgte und der Walküre-Befehl ausgelöst wurde, gelang der Umsturz nicht. Mehr als 100 Personen wurden in der darauffolgenden Zeit auf Grund mutmaßlicher Beteiligung an der Planung und Umsetzung des Attentats verhaftet und vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
Die zentrale Personenkartei der Abteilung PA des Bundesarchivs umfasst mehr als 18 Millionen verzeichnete Personen. Darunter befinden sich auch die Karten vieler Beteiligter, Mitwissender und Helfer des 20. Juli 1944.
Friedrich Olbricht gehörte zum unmittelbaren Kern der Verschwörer vom 20. Juli. Er löste den Walküre-Befehl aus. Kurz vor seiner Verhaftung hatte Olbrichts Schwiegersohn Friedrich Georgi noch Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Sein Zeitzeugenbericht kann bei unserem Kooperationspartner LEMO nachgelesen werden.
Regelmäßige Kontakte zu der Widerstandsgruppe um Ulrich von Hassel und Ludwig Beck pflegte auch der 1884 in Leipzig geborene Johannes Popitz, der „Vater der Umsatzsteuer“. Ab 1940 entwickelte die Gruppe programmatische Grundsätze für eine innenpolitische Neuordnung und Konsolidierung Deutschlands nach dem angestrebten Regimewechsel. Das „vorläufige Staatsgrundgesetz“, das im Nachlass Popitz‘ mit Bearbeitungsspuren überliefert ist, gibt Aufschluss über die politischen Vorstellungen von Popitz und seinen Mitstreitern. Am 3. August 1944 wurde Johannes Popitz vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Plötzensee gehenkt.
Die Folgen des gescheiterten Attentats
Claus Schenk Graf von Stauffenberg, sein Adjutant Werner von Haeften, Friedrich Olbricht, der den Walküre-Befehl auslöste, und Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, der Sohn des früheren Präsidenten des Reichsarchivs, wurden in der Nacht auf den 21. Juli 1944 auf Befehl von Generaloberst Friedrich Fromm standrechtlich erschossen. Fromm selbst, der über die Pläne zwar informiert war, sich aber gegen eine Teilnahme am Widerstand entschieden hatte, wurde später ebenfalls durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt.
Zu den in den Prozessen vor dem Volksgerichtshof verurteilten Personen zählen auch Henning von Tresckow – er sollte das Amt des Polizeichefs einnehmen –, Erwin von Witzleben, der nach erfolgreicher Umsetzung des Walküre-Befehls als Oberbefehlshaber der Wehrmacht eingesetzt werden sollte, und Carl Friedrich Goerdeler, der zu Beginn der Planung für das Amt des Reichskanzlers vorgesehen war.
Eine präzise zeitliche Chronologie der Ereignisse um den 20. Juli 1944 hat Heinrich Walle in seinem Aufsatz „Der 20. Juli 1944. Eine Chronik der Ereignisse von Attentat und Umsturzversuch“ erarbeitet (in: Thomas Vogel (Hrsg.): Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933–1945). Sie befindet sich neben weiter Literatur zu diesem Thema in der Bibliothek des Bundesarchivs in Koblenz und Berlin.
Gedenken in der Bundesrepublik
Die Beteiligten des Umsturzversuchs vom 20. Juli wurden aus der Wehrmacht ausgestoßen und nach der Gründung der Bundesrepublik zunächst nicht offiziell rehabilitiert.
Jakob Kaiser, Mitglied des Parlamentarischen Rates und später Minister für gesamtdeutsche Fragen, verfasste bereits 1946 einen Aufsatz für das Antifa-Taschen-Jahrbuch, in dem er auf das gespaltene Verhältnis der Gesellschaft zum Widerstand allgemein und dem 20. Juli insbesondere Bezug nimmt. Er thematisiert dabei auch die nicht ausschließlich vom Widerstand geprägten Lebensläufe der Beteiligten. Konkret der militärische Widerstand um Stauffenberg hatte sich dem nationalsozialistischen System zunächst gefügt, bis die Wendung gegen das Naziregime einsetzte.
Lange Zeit wirkte also das Urteil des Hoch- und Landesverrats in der öffentlichen Meinung nach. In den 1950er Jahren setzte schließlich eine Umbewertung ein. Die Widerstandskämpfer um Stauffenberg erfuhren allmählich eine reflektierte Wahrnehmung. Zum 10. Jahrestag des gescheiterten Attentats hielt Bundespräsident Theodor Heuss in Berlin eine „Gedenkrede für Opfer des 20. Juli 1944“. Der handschriftliche Entwurf dieser Rede befindet sich im privaten Nachlass von Theodor Heuss im Bundesarchiv in Koblenz.
Ebenfalls in Koblenz sind die Akten des Bundesministeriums für Post- und Fernmeldewesen zugänglich. Darin findet sich eine Akte aus den Jahren 1963/64. Der 20. Jahrestag des gescheiterten Attentats gab Anlass für ein sogenanntes Gedenkblatt mit insgesamt acht Sonderbriefmarken im Gedenken an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Neben den Beteiligten vom 20. Juli werden auch Sophie Scholl, Dietrich Bonhoeffer und Albert Delph stellvertretend für alle Widerstandskämpfer abgebildet.
Den Gestaltungswettbewerb gewann ein Künstlerpaar aus Wuppertal, die Beschaffung von passendem Bildmaterial unterstützten die Hinterbliebenen der ermordeten Widerstandskämpfer, und zahlreiche Nachfragen beim Ministerium lassen erkennen, dass das „Gedenkblatt mit Sonderpostwertzeichen“ sich großer Beliebtheit erfreute.
Anmerkung: Das Zitat in der Seiten-Überschrift stammt aus einer Bekanntmachung Generalfeldmarschall Erwin von Witzlebens über das Attentat und die darauffolgende Auslösung des Walküre-Befehls, in: BArch, RM 7/101, fol. 72