2.212 (cun1p): Nr. 212 Besprechung mit dem Sparausschuß des Reichstags. 7. Juli 1923, 12 Uhr

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 4). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett Cuno Wilhelm Cuno Bild 183-1982-0092-007Französischer Posten Bild 183-R43432Posten an der Grenze des besetzten Gebietes Bild 102-09903Käuferschlange vor Lebensmittelgeschäft Bild 146-1971-109-42

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 212
Besprechung mit dem Sparausschuß des Reichstags. 7. Juli 1923, 12 Uhr

R 43 I /1948 , Bl. 207 f.

Anwesend: Cuno, StS Schroeder; Abg. Ersing, Leicht, Quaatz, Schmidt (Stettin), Steinkopf und Stücklen; MinR Wever1.

Nachdem der Herr Reichskanzler betont hatte, daß ihm viel daran läge, mit dem Sparausschuß in engere Zusammenarbeit zu gelangen, daß aber die schwierigen außen- und innenpolitischen Verhältnisse bislang solche engere Zusammenarbeit aufgeschoben hätten, bat er, nunmehr die ganzen Fragen erneut in Angriff zu nehmen. Er erwähnte einige Fälle, in denen wohl unbedingt ein Abbau würde eintreten können.

Der Abgeordnete Stücklen war dankbar für die Aussprache und gab der Auffassung Ausdruck, daß im Interesse fruchtbringender Arbeit die Stellung des Sparkommissars eine andere werden müsse2. Es genüge nicht, daß er nur[630] gutachtlich tätig sei, und es sei nicht zweckmäßig, daß der Sparausschuß erst die an den Reichstag gelangenden Regierungsvorlagen kritisch würdigte und Streichungen dazu vornehme, vielmehr müsse seiner Auffassung nach in die ganze Angelegenheit ein anderes System gebracht werden, auch sei zu erwägen, ob nicht auf die Länder und Gemeinden, welche die Gelder für Beamten usw. zum größten Teil vom Reich bekämen, ein Druck zu sparsamerer Verwaltung ausgeübt werden könne.

Der Reichskanzler stimmte diesen Ausführungen grundsätzlich zu. Gerade für die kommenden internationalen Verhandlungen in der Reparationsfrage sei es nötig, zu einem bestimmten organisatorischen Abbau zu kommen. Er glaube, daß am zweckmäßigsten zunächst mit ihm, dem Reichsminister der Finanzen und dem Sparkommissar die ganze Angelegenheit erörtert würde. Ein Vorschlag würde ausgearbeitet und dem Kabinett unterbreitet werden3; sodann würde er die Herren des Sparausschusses bitten, mit ihm die Angelegenheit zu beraten.

Der Abgeordnete Quaatz kam auf die grundsätzliche Verschiedenheit der Betriebs- und Hoheitsverwaltungen zu sprechen und meinte, daß insbesondere die Hoheitsverwaltungen mit dem organisatorischen Abbau auch aus erzieherischen Gründen vorangehen müßten. Auch die Methode des bisherigen Verfahrens müßte geändert werden; die Initiative müsse seiner Auffassung nach bei der Regierung liegen; der Sparausschuß dürfe nicht zu sehr in den Vordergrund treten.

Staatssekretär Schroeder bestätigte, daß die jetzige Stellung des Sparausschusses und Sparkommissars nicht den Verhältnissen entspreche. Die Fühlung mit dem Sparausschuß müsse schon vor der Aufstellung der Vorlagen erfolgen.

Der Abgeordnete Steinkopf regte an, auch bei der Eisenbahnverwaltung eine Sparunterkommission einzurichten wie bei der Postverwaltung.

Der Abgeordnete Leicht erklärte sich mit der von Staatssekretär Schroeder vorgeschlagenen Umstellung der Tätigkeit einverstanden.

Der Herr Reichskanzler stellte als Ergebnis fest, daß die Initiative bei der Regierung bleiben müsse, daß der Sparausschuß mit dem Sparkommissar zu den Sachen vor der Vorlage an den Reichsrat und Reichstag Stellung nehmen müsse und daß später im Reichstag die Mitglieder des Sparausschusses die etwa aufkommenden Stürme gegen eine zu sparsame Regierung mit abschlagen helfen müßten. Er stellte in Aussicht, nach alsbaldiger Besprechung mit dem[631] Finanzminister und dem Sparkommissar ein Programm aufstellen zu lassen und die Herren vielleicht in der zweiten Hälfte des August im Anschluß an eine Tagung des Haushaltsausschusses zu einer abschließenden Aussprache zu sich zu bitten4.

Fußnoten

1

Von ihm stammt offenbar das Protokoll, das auch einige handschriftliche Verbesserungen Wevers aufweist.

2

Am 22.5.23 hatte RSpKom. Saemisch zugleich mit seinem ersten Tätigkeitsbericht gebeten, ihn in Zukunft an den Kabinettsberatungen zu beteiligen. „Nur die engere Fühlungnahme mit den Ressortschefs, die auf anderem Wege nur schwer zu erzielen ist, gibt mir die Möglichkeit, die von mir zu vertretenden Interessen in dem erforderlichen Maße zur Auswirkung zu bringen. Vor allem wird sich nur auf dem Wege einer Beteiligung an den Kabinettssitzungen die nach den tatsächlichen Erfahrungen dringend gebotene Beschleunigung in der Erledigung längst spruchreifer Angelegenheiten erreichen lassen.“ (R 43 I /1948 , Bl. 180-195, 212-216 und 2357, R 43 I /2357 , Bl. 92 f.). Nach einer Vorbesprechung mit Hamm am 26. 6. legte Saemisch dem RK seine Auffassung am 27. 6. dar. Eine Denkschrift für den RK vom 30. 6. faßte die Wünsche Saemischs noch einmal zusammen: Mehr Personal für die Prüfungsarbeiten, Schaffung von provinziellen Organen des RSpKom. unter Leitung der Präs. der Landesfinanzämter, stärkere Einflußnahme auf organisatorische Änderungen in den Ressorts, rechtzeitige Information über gesetzgeberische Vorhaben der Ressorts. „Aus allem dürfte zur Genüge erhellen, daß die Aufgabe überhaupt von mir nur dann weiter gefördert werden kann, wenn mir eine enge Verbindung mit der RReg. gesichert wird, was nur dadurch erreicht werden kann, daß mir Sitz und konsultative Stimme im Kabinett gegeben wird. Dies ist auch der Weg, um die organisatorischen Unterlagen für meine Stellung mit dem Ziele zu schaffen, daß ich offiziell in der Lage bin, eine enge Zusammenarbeit mit dem Sparausschuß des RT herbeizuführen und dadurch die auf Ersparnisse gerichteten Bestrebungen des RT und der RReg. in eine gemeinsame Linie zu bringen.“ (R 43 I /2357 , Bl. 94-96, hier: Bl. 95f).

3

Nach weitergehenden Vorschlägen des RFM vom 5. 7. regt Wever am 16. 7. folgenden Kabinettsbeschluß an: „Zur wirksamen Förderung seiner Aufgabe soll der Staatsminister a. D. Saemisch zu den Kabinettssitzungen, in denen organisatorische, finanzielle und sonstige mit seiner Aufgabe in Verbindung stehende Angelegenheiten zur Sprache kommen, zugezogen werden. Dem Staatsminister a. D. Saemisch wird insoweit ein Votum consultativum und das Recht der Antragstellung eingeräumt. Über die Zuziehung entscheidet der RK.“ (R 43 I /1948 , Bl. 235 f.). Der RK stimmt am 17. 7. zu, eine Kabinettsentscheidung kommt jedoch nicht mehr zustande.

4

Nach einer Besprechung mit Saemisch am 3. 8. vermerkt Hamm u. a.: „Über die Zuziehung zum Kabinett soll demnächst entschieden werden. Sachgemäße Lösung schien mir Übersendung aller Gesetz- und Verordnungsvorschläge zur Prüfung und Anmeldung etwaigen Interesses. Übermittlung sämtlicher Tagesordnungen, Bestimmung, daß bei allen Angelegenheiten einzuladen sei, in denen eine finanzielle Wirkung auf Reichshaushalt oder sonstigen öffentlichen Haushalt zu erwarten sei. […] Mitarbeit der Präs. der Landesfinanzämter werde allenfalls geregelt werden. […] Nach Vorlage der Denkschriften werde der Herr RK voraussichtlich diese im kleinen Kreise besprechen und dann nach Erörterung im Kabinett seine Entscheidung im Rahmen der allgemeinen Richtlinien seiner Politik treffen. Nach dieser Entscheidung werde es Zeit sein, den so bekundeten Willen der Regierung auch zum Willen des RT zu machen und hierfür insbesondere mit dem Sparausschuß ein engeres organisches Zusammenwirken zu unterhalten.“ (R 43 I /1948 , Bl. 269-273). Am 8. 8. übersendet Saemisch eine 14seitige Denkschrift über die „wesentlichen, bei einer wirtschaftlicheren Gestaltung des Reichshaushalts zu berücksichtigenden Fragen.“ (R 43 I /1948 , Bl. 277-290). „Die grundsätzlich zustimmende Entscheidung des Kabinetts zu den dort dargelegten Grundlegungen werde für ihn eine Voraussetzung weiterer ersprießlicher Tätigkeit sein“, hatte Hamm nach seiner Unterredung mit Saemisch am 3. 8. über die angekündigte Denkschrift vermerkt (R 43 I /1948 , Bl. 269-273, hier: Bl. 269). Zu einer Kabinettsentscheidung kommt es unter Cuno nicht mehr.

Extras (Fußzeile):