2.61 (cun1p): Nr. 61 Vereinbarung zwischen dem Reichswehrminister und dem preußischen Minister des Innern. 30. Januar 1923

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Nr. 61
Vereinbarung zwischen dem Reichswehrminister und dem preußischen Minister des Innern. 30. Januar 1923

R 43 I /685 , Bl. 9 Durchschrift1

Zwischen dem Reichswehrminister und dem preußischen Minister des Innern ist folgende Vereinbarung getroffen:

1.

In Sachen des Landesschutzes2 soll engstes Einvernehmen und dauernde Zusammenarbeit zwischen den Militär- und Verwaltungsbehörden hergestellt und aufrechterhalten werden.

2.

In diesem Sinne haben die Wehrkreiskommandos mit den zuständigen Oberpräsidenten Vereinbarungen zu treffen. In grundsätzlichen Fragen sind bei auftretenden Zweifeln oder Meinungsverschiedenheiten Weisungen der vorgesetzten Zentralstelle einzuholen, die ihre Entscheidung nur im Einvernehmen mit dem anderen Ressort treffen wird.

3.

Zur Vermeidung eines umständlichen und unzweckmäßigen Schriftverkehrs sollen durchweg mündliche Vereinbarungen und Anordnungen genügen. Hierbei ist Vorsorge zu treffen, daß sie dem Besten der Gesamtheit dienen und bei dieser eine zuverlässige Stütze haben. Die Maßnahmen bei Anzeigen oder Auffindung sind zwischen den beteiligten Instanzen allgemein zu regeln.

4.

Gleichzeitig mit der Überleitung zu dem vorstehend niedergelegten Verfahren wird eine Unterstützung von privaten Organisationen seitens der Reichswehr abgebaut werden, und zwar bis zur endgültigen Trennung mit dem 31. März 1923. Die zur Zeit mit der Reichswehr in Verbindung stehenden [208] Organisationen sind zur Vermeidung unsachgemäßen Gegeneinanderarbeitens der Ressorts dem preuß. Min. d[es] I[nnern] namentlich anzugeben3.

Fußnoten

1

Die Vereinbarung wurde mit einem gemeinsamen Begleitschreiben Geßlers und Severings am 30. 1. dem RK zugesandt, der am 3. 2. abzeichnet. Auf dem Begleitschreiben findet sich eine handschriftliche Anmerkung Wevers: „Diese Vereinbarung begräbt einen alten Streit; es ist zu hoffen, daß sie auch in der Praxis von den nachgeordneten Stellen eingehalten wird.“ Neben diesem Dokument findet sich eine andere Durchschrift mit der Datumsangabe „etwa 7. Februar 1923“ und der Unterschrift „gez.: Ebert, Kuno [!], Braun, Severing“, die inhaltlich der Vereinbarung vom 30. 1. entspricht, in der Formulierung aber teilweise abweicht.

2

In der zweiten Durchschrift ist zur Erläuterung in Klammern angefügt: „Verfassungsschutz, Grenzschutz, Heeresverstärkung in personeller und materieller Hinsicht“.

3

MinDirig. Abegg hat 1947 in einem Schreiben an Severing über die Entstehungsgeschichte dieser Vereinbarung berichtet: „Bei Ihrem untrüglichen Gedächtnis erinnern Sie sich bestimmt unserer Verhandlungen mit Geßler und Schleicher über den ‚Landesschutz‘ anfangs 1923 – sicherlich aber auch der Tatsache, daß Sie einen Vorschlag für die Vereinbarung mit dem RWeM eigenhändig mit der Feder aufgeschrieben haben. Als Sie mir diesen vorlegten, habe ich starke Bedenken geäußert mit dem Hinzufügen, daß Schleicher über dieses Entgegenkommen, das seine kühnsten Wünsche übertreffe, entzückt sein würde. Sie erwiderten darauf: ‚Das glaube ich nicht einmal; nun, wir werden sehen.‘ Als dann Schleicher kam, trat wirklich der von mir vorausgesehene Erfolg ein; er war mehr als befriedigt und äußerte nicht einen einzigen Wunsch, so daß Ihr Entwurf unverändert zur Vereinbarung erhoben wurde. Deren Übermittlung an die für die Durchführung maßgebenden OPräs. war ebenso peinlich wie verantwortungsvoll; entgegen meiner Hoffnung, daß Sie selbst die notwendige Eröffnung machen und die daran zu knüpfenden Weisungen geben würden, wollten Sie Ihr eigenes Werk nicht vertreten, entsandten mich vielmehr zu einer Konferenz der OPräs. im Gebäude des Oberpräsidiums für die Provinz Brandenburg; zum Überfluß wurde Schleicher zur Überwachung meiner Ausführungen mit entsandt. Das Ergebnis war kennzeichnend: die OPräs. glaubten meine Mitteilungen nicht und bestritten, daß diese Ihren Intentionen entsprechen könnten. Diese Stellungnahme ging nicht etwa nur von links eingestellten Männern dieses Kreises aus, sondern auch von dem OPräs. der Provinz Brandenburg, Dr. Maier, dem sich auch Dr. Schwander anschloß, über die hinaus Hörsing unverblümt erklärte, daß er sich weigere, solchen Anweisungen zu folgen. Der Erfolg war ein heilloser Wirrwarr, verschiedenartige Einstellung und Handhabung in allen Bezirken, Wachsen des gegenseitigen Mißtrauens – das alles zum Schaden der Republik, zum Nutzen der Reaktion.“ (Brief Abeggs an Severing vom 31.5.47, abgedr. als Dok. Nr. 1 bei Vogelsang: Reichswehr, Staat und NSDAP, 1962, S. 407). Über den Erfolg dieser Vereinbarung schreibt Severing in seinen Memoiren, II. Teil, S. 117: „Die Reichswehr hatte sich dazu verpflichtet, bis zum 31. März 1923 die Unterstützung und Zusammenarbeit mit jeglichen Privatorganisationen einzustellen. Das Gegenteil dieser Zusicherungen trat ein: Die Ausbildung und Unterweisung junger Leute im Waffengebrauch, die Auffüllung von Freikorps und die Abhaltung von Ausbildungskursen für Zivilpersonen in Kasernen und auf Truppenübungsplätzen gingen weiter. Ich war darum gezwungen, dem RWeM zu erklären, daß ich dieses Treiben der Zeitfreiwilligen und anderer Zivilpersonen als Vorbereitung zum Bürgerkrieg ansehe und entschlossen sei, mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln dagegen einzuschreiten.“ Der RWeM bezog sich auf diese Vereinbarungen in seiner RT-Rede vom 27.2.23 (RT-Bd. 358, S. 9892  ff.). Im Manuskript seiner Memoiren über das Jahr 1923 gibt Geßler folgende Darstellung: „Der Zweck unserer Abmachungen war, zu verhindern, daß politisch kompromittierte Persönlichkeiten in den Grenzschutzformationen, wie beim Kapp-Putsch, eine Rolle spielen konnten. Das Abkommen wurde allerdings schon nach wenigen Tagen unter der Überschrift ‚Ein Seeckt-Severing-Abkommen‘ in die Öffentlichkeit gezerrt. Die Verhandlungen waren von mir geführt worden. General von Seeckt hat sie nicht gefördert. Schon die Verbindung mit dem Namen Severing, der bei der Rechten besonders verhaßt war, war ihm unerwünscht. In seinen Erinnerungen sagt Severing, die Reichswehr habe sich nicht an das Abkommen gehalten. Hier täuscht der Schein. Der eigentlich Schuldige war sein StS Abegg, der sofort eine Konferenz der preußischen OPräs. einberief, um ihnen unsere Ostpläne nicht bona mente auseinanderzusetzen. Seeckt, der wegen der notwendigen Verschwiegenheit vor dem Abkommen gewarnt hatte, bekam recht, und die Verbindungen wurden nicht mehr weiter verfolgt. Das Kabinett stellte sich auf den Standpunkt von Seeckt.“ (Nachlaß Geßler  im BA, Bd. 46: Entwürfe und Aufzeichnungen zu den Memoiren; abweichend davon die von K. Sendtner hrsg. Memoiren Geßlers, S. 240.) Vgl. dazu auch Anm. 2 zu Dok. Nr. 117.

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