Text
Nr. 50
Der Thüringische Staatspräsident an den Reichskanzler.
[Betrifft: Bekämpfung der Inflation]
Hochzuverehrender Herr Reichskanzler!
Bereits bei der letzten Besprechung der Ministerpräsidenten in Berlin1 habe ich Veranlassung genommen, auf die Notwendigkeit sofortiger tatkräftiger Maßnahmen zur Linderung der steigenden wirtschaftlichen Not hinzuweisen, um die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die in den letzten Tagen in erschreckendem Maße wachsende Verteuerung der Lebenshaltung gibt mir erneut Anlaß, an den Herrn Reichskanzler die dringende Bitte zu richten, dafür besorgt zu sein, daß durch gesetzgeberische Maßnahmen dem Wucher in Stadt und Land gesteuert wird. Es ist ein unerträglicher Zustand, daß weite Kreise unseres Volkes darben müssen, weil die völlig ungerechtfertigte Höhe der Preise wichtigster Lebensmittel und sonstiger Bedarfsgegenstände eine erträgliche[179] Lebensführung unmöglich macht. Abhilfe kann nur geschaffen werden durch eine sofortige Festsetzung von Höchstpreisen für die lebensnotwendigen Waren und schärfste Preisüberwachung. Ihr wird es obliegen, zunächst die im Inland produzierten Gegenstände der Bevölkerung zu angemessenen Preisen zuzuführen und auch für die Preisbildung der Waren, zu deren Herstellung ausländische Rohstoffe benötigt werden, bestimmte Grenzen festzusetzen. Nur die feste Überzeugung, daß das Reich nichts unversucht läßt, die wirtschaftlichen Nöte auf das Mindestmaß zu beschränken und jede unsoziale Ausbeutung der Notlage mit größter Entschiedenheit zu bekämpfen, wird der Bevölkerung die innere Kraft und Festigkeit verleihen, in den kommenden schweren Zeiten auszuharren und alle Versuche zur Lockerung der Staatsordnung abzuweisen.
Allen denen, die bereits jetzt infolge ungünstiger Lage des Arbeitsmarktes, infolge Alters, Krankheit oder Mittellosigkeit besondere Not leiden, muß die Reichsregierung erträgliche Lebensbedingungen schaffen, da die bisherigen Maßnahmen nicht mehr ausreichen, auch nur den notdürftigen Lebensunterhalt zu sichern. Es ist unbedingtes Erfordernis, daß die Reichsregierung mit größter Beschleunigung vom Reichstag weitere Mittel zur Erhöhung der Unterstützungen, namentlich für die Sozial- und Kleinrentner sowie die Erwerbslosen und Kriegsopfer anfordert und nach Bewilligung auf alsbaldige Verwendung der Mittel bedacht ist.
Nur durch die angeregten durchgreifenden Maßnahmen auf dem Gebiet der Preisbildung sowie durch rasche und ausreichende Hilfe für die wirtschaftlich Schwachen wird es gelingen, innere Schwierigkeiten ernstester Art und Erschütterungen des Wirtschaftslebens zu verhüten.
Ich bitte dringend meine Worte, die als Notschrei aufgefaßt werden mögen, nicht ungehört verhallen zu lassen. Die Gefahr ist groß. Sorgen Sie, Herr Reichskanzler, für ihre Beseitigung im Interesse unseres Vaterlandes2.
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung
Ihr sehr ergebener
Frölich
Fußnoten
- 2
Am 25. 1. telegrafiert Frölich an den RK: „Teuerung nimmt unerträgliches Maß an. Bevölkerung verlangt dringendst Maßnahmen dagegen. Gewalttätigkeiten unausbleiblich, falls nicht Teuerung Einhalt getan und nicht auch für nichtstaatliche Lohn- und Gehaltsempfänger ausreichende Erhöhungen eintreten.“ Mit Schreiben vom 25. 1. bestätigt Frölich dieses Telegramm und ersucht erneut darum, „daß die RReg. mit größter Energie gegen die durch nichts gerechtfertigte Preissteigerung der inländischen Erzeugnisse, besonders von Milch und Fleisch, vorgeht. Dem Herrn REM habe ich ebenfalls Vorschläge in dieser Richtung unterbreitet. Beim außerordentlichen Ernst der Lage darf ich mich der Hoffnung hingeben, daß die RReg. meinen Mahnruf nicht unbeachtet lassen wird.“ (R 43 I/1261, Bl. 265; 268). Lt. Vermerk vom 6. 2. antwortet das REMin. auf die thür. Vorschläge, „daß bei der letzten Konferenz der Ernährungsminister die Frage der Festsetzung eines Höchstpreises für Milch einstimmig verneint worden sei. Bezüglich der Preise für Fleisch habe der REM darauf hingewiesen, daß es die Länder in der Hand hätten, sog. Preiskommissionen auf die Viehmärkte zur Festsetzung angemessener Preise zu senden.“ Für den RK beantwortet StS Hamm das Schreiben Frölichs am 10. 2. mit der Versicherung, „daß die RReg. nach wie vor nach Kräften bestrebt sein wird, der wirtschaftlichen Notlage durch Bekämpfung des Wuchers sowie der ungerechtfertigten Preissteigerung entgegenzuwirken. Ich darf jedoch bemerken, daß die strenge Ausführung und Handhabung der von der RReg. bereits erlassenen oder noch zu erlassenden Bestimmungen gegen Preistreiberei den Ländern obliegt und daß gerade dort der Hebel angesetzt werden muß, um die wirksame Durchführung der Bestimmungen zu gewährleisten.“ (R 43 I/1261, Bl. 269).