Text
[73] Nr. 24
Besprechung mit Reparationssachverständigen. 16. Dezember 1922, 10.00 und 17.30 Uhr
R 43 I/33, Bl. 216 Umdruck1
Das Ergebnis der Besprechung mit den Sachverständigen2 wird wie folgt zusammengefaßt:
I. Es herrscht Einigkeit darüber, daß
1) die mit der Note an die Repko vom 13./14. November begonnene aktive Politik in der Reparationsfrage weiter fortgesetzt und ausgebaut werden soll;
2) mit größter Beschleunigung, möglichst bis zur nächsten interalliierten Konferenz ein Angebot zur Lösung der Reparationsfrage ausgearbeitet werden soll;
3) das Angebot eine endgültige Lösung der Reparationsfrage enthalten soll, bei dem für eine Übergangszeit von drei bis vier Jahren Deutschland von Leistungen befreit werden soll;
4) das Angebot nicht auf eine feste Summe abgestellt werden soll;
5) für den Fall, daß sich nach Lage der Verhältnisse Anfang Januar 1923 ein Angebot für eine endgültige Lösung nicht für zweckmäßig oder nicht aussichtsvoll erweisen sollte, jede Möglichkeit zu einer Verhandlung über eine vorläufige Lösung ausgenutzt werden soll;
6) eine endgültige Regelung der Reparationsfrage nur möglich ist, wenn gleichzeitig auch eine Vereinbarung dahin getroffen wird, daß die dermalige Besetzung des linken Rheinufers mit allen zugehörigen Einrichtungen raschestens – wenn auch in Etappen – abgebaut wird und die völkerrechtswidrige Besetzung von Düsseldorf und Duisburg sofort aufgehoben wird. Die Reichsregierung wird gebeten, alle erforderlichen Schritte hierzu einzuleiten3;
[74] 7) die Frage der Stellung von Sicherheiten und der Leistung von Garantien für das zu machende Angebot, insbesondere Frankreich gegenüber von ausschlaggebender Bedeutung ist und daß es dabei auf folgendes ankommt:
a) | politische Sicherungen, |
b) | Garantien für die finanziellen Leistungen, |
c) | wirtschaftliche Sicherungen (Verständigung zwischen der deutschen und französischen Industrie); |
8) es für zweckmäßig erachtet wird, daß die Reichsregierung die erforderlichen Schritte ergreift, um einer wirtschaftlichen Verständigung der deutschen mit der französischen Industrie die Wege zu ebnen.
II. Die Reichsregierung wird aufgrund des Ergebnisses der heutigen Besprechung unverzüglich einen Plan für eine endgültige Lösung der Reparationsfrage ausarbeiten und denselben mit Beschleunigung zur erneuten Erörterung stellen4.
Fußnoten
- 1
Am 18. 12. vom RFMin. an die Rkei gesandt.
- 2
Das hier vorgelegte „Ergebnis der Besprechung“ entspricht mit Ausnahme von Punkt 6 wörtlich der Zusammenfassung, wie sie der RFM Hermes am Ende der Besprechung den Anwesenden vorgetragen hat. S. dazu die 46seitige Niederschrift über die Sachverständigenbesprechung in R 43 I/34, Bl. 308-330. Diese Niederschrift gibt auch Auskunft über den Teilnehmerkreis. Danach waren anwesend: Hermes, Becker, Bergmann, Trendelenburg, v. Brandt, Ritter, Kastl, Kempner, Pünder, Terdenge als Vertreter der Regierung und Wassermann, v. Mendelssohn, Hagen, Urbig, Melchior, Duisberg, Reusch, Klöckner, Flechtheim, Silverberg, Bücher als Sachverständige, dazu bei Fortsetzung der Besprechung um 17.30 h MinR Ruppel.
- 3
Laut Niederschrift der Besprechung war der Punkt 6 ursprünglich folgendermaßen formuliert: „6) bei dem Angebot die Frage der Besetzung des linken Rheinufers eine entscheidende Rolle spielen muß und daß im Wege von Verhandlungen eine entsprechende Regelung der Besetzung erreicht werden muß, daß aber die Beseitigung der Besetzung des linken Rheinufers nicht als eine Bedingung des Angebots aufgestellt werden soll, ohne deren Erfüllung das Angebot nicht aufrechterhalten werden kann, sondern daß in dem Angebot vielmehr zum Ausdruck gebracht werden soll, daß die Beseitigung der Besetzung des linken Rheinufers eine unerläßliche Voraussetzung für die Wiederherstellung der deutschen Leistungsfähigkeit und seiner wirtschaftlichen Integrität ist.“ (Niederschrift S. 43). Diese Formulierung des RFM ließ die Diskussion noch einmal aufleben, wie sich aus der Niederschrift ergibt (S. 44 f.): „Zu Punkt 6) wird von Herrn Reusch und Herrn Klöckner bemerkt, daß sie die Aufhebung der Besetzung des Rheingebietes für die endgültige Lösung der Reparationsfrage für unerläßlich hielten. Einen derartigen Standpunkt hätte die rheinische Industrie bei allen Verhandlungen mit den französischen Wirtschaftskreisen eingenommen. Herr Minister Dr. Hermes stellt die Frage, ob die Herren wirklich glauben, daß wir mit einer derartigen Regelung durchkämen, wenn man das Aufhören der Besetzung als eine Bedingung aufstelle. Es sei das vielleicht möglich im Zusammenhang mit der Frage des Wirtschaftsabkommens. Hier handele es sich aber um mehr. Es handele sich um die Frage des Fortbestandes der Nation und dabei müsse nach seiner Ansicht das Verlangen nicht derartig kategorisch gestellt werden. Herr Hagen stimmt der Ansicht des Herrn Ministers zu. Herr Reusch vertritt die Ansicht, daß bei Fortdauer der Besetzung das Reich aus den Fugen gehe. Herr Duisberg glaubt, daß man die schroffe Stellungnahme der rheinischen Schwerindustrie nicht verstehen werde, wenn sie die Zusage von gewissen Erleichterungen in der Besetzungsangelegenheit nicht für ausreichend hielte. Herr Hagen bemerkt noch einmal, daß er volles Verständnis für die Ansicht der schwerindustriellen Kreise habe, daß er aber im übrigen ihrer Ansicht nicht beitreten könne. Ein Aufhören der Besetzung sei ohne Sicherheiten nicht zu erreichen. Er wisse nicht, welche Sicherheiten in diesem Fall geboten werden könnten. Herr Reichswirtschaftsminister Becker bemerkt, daß er die Bedenken der schwerindustriellen Kreise verstehe. Auf der anderen Seite könne man aber nach seiner Ansicht bei der Erledigung eines Angebots in der Reparationsfrage nicht so weit gehen. Es sei klar, daß man als Endziel in Aussicht nehmen könne, die Besetzung des Rheingebiets beseitigt zu sehen. Zu einer Vorbedingung aber könne sie bei dem Angebot nicht gemacht werden. Er glaube deshalb, daß bei einer anderweitigen Formulierung des Punkts 6) eine Einigung zwischen den Teilnehmern an der heutigen Besprechung erreicht werde, und schlage deshalb folgende Fassung vor:“ [folgt obige Fassung]