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21. August 1968: Einmarsch – kein Einmarsch. Die Beteiligung der Nationalen Volksarmee der DDR an der Niederschlagung des "Prager Frühlings"

  • DDR (1949-1990)

Hintergrundinformationen

Nach der Ausweitung des Macht und Einflussbereiches der UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem im osteuropäischen Raum kam es immer wieder zu Aufständen in einzelnen mit ihnen verbündeten sozialistischen Staaten (1953 in der DDR, 1956 in Ungarn und Polen). 1968 versuchte man auch in der Tschechoslowakei (CSSR), eine Emanzipation des von der UdSSR aufgesetzten politischen Systems in Richtung Demokratisierung zu erreichen. Nicht nur Teile der Bevölkerung, sondern gerade auch Vertreter der Kommunistischen Partei der CSSR sowie der tschechoslowakischen Regierung trieben ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm voran.

Der Ursprung dieser Reformbewegung kann bis zum Beginn der 1960er Jahre zurückverfolgt werden. Seit dieser Zeit befand sich die CSSR in einer tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise. Die Zentralisierung und Planwirtschaft hatten zu einer dramatischen Stagnation der Wirtschaft geführt. Zudem dominierte eine stalinistische Führungsschicht die kommunistische Partei, die unter anderem eine Aufarbeitung der politischen Schauprozesse der späten 1940er und frühen 1950er Jahre nicht zuließ. Vor diesem Hintergrund wurden sowohl innerhalb als auch außerhalb der Partei reformerische Strömungen immer stärker. Der anhaltende Wandel in der Gesellschaft mündete 1968 schließlich in die Reformprozesse des als "Prager Frühling" bezeichneten Versuches einer demokratischen Umgestaltung des bestehenden politischen Systems.

Dabei sollte der Sozialismus nicht abgeschafft, sondern lediglich vervollkommnet werden. Durch die Demokratisierung der Gesellschaft sollte ein Sozialismus mit "menschlichem Antlitz" geschaffen werden. Den Beginn der Reformzeit markierte ein wichtiger personeller Umschwung. Am 5. Januar 1968 wurde Alexander Dubček vom Präsidium der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPC) zum 1. Sekretär des Zentralkomitees der KPC berufen. Am 5. April 1968 stellte die KPC ein Aktionsprogramm vor, das insbesondere auf Wirtschaftsreformen, Meinungs- und Informationsfreiheit, eine Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit und eine allgemeine Neuausrichtung der Rolle der KP in der Gesellschaft ausgerichtet war.

Durch die Neubesetzung von Ämtern innerhalb der Parteiführung und der Regierung wurden die Reformprozesse in der Tschechoslowakei unterstützt und nunmehr zur offiziellen Politik in der CSSR. Die Trennung von Partei- und Staatsfunktionen wurde konsequent durchgesetzt. Zudem spiegelten sich die Anfänge der Demokratie vor allem im Medienbereich wider. Bereits im Februar 1968 war die Zensur faktisch abgeschafft worden. In der Bevölkerung wurden die Demokratisierungsversuche rasch positiv angenommen, in deren Folge sich zunehmend eine kritische Öffentlichkeit entwickelte. Auf der anderen Seite bedeuteten die Reformen für die konservative Parteielite aber einen empfindlichen Machtverlust.

Der neue Parteikurs führte nicht nur unter den altgedienten Parteikadern der KPC zu Unruhe, Misstrauen, Ängsten und vor allem auch Ablehnung. Seit Beginn der Liberalisierungsprozesse verfolgten auch die Führungen der kommunistischen Parteien des Ostblocks die Vorgänge in der CSSR argwöhnisch. Gerade die DDR sah sich durch die Ereignisse im Nachbarland in ihrer Existenz ernsthaft gefährdet. Somit war es naheliegend, dass sich die SED als erstes im sozialistischen Lager gegen die Reformvorstellungen in der CSSR wandte. Den Kurs legte jedoch die UdSSR als Führungsmacht fest. Anfangs (Februar 1968) bestimmte eher Zurückhaltung die Beziehung der sozialistischen Staaten zur CSSR. In verschiedenen Zusammenkünften versuchten Regierungsvertreter der Sowjetunion, Bulgariens, Ungarns, Polens und der DDR (später als "Warschauer Fünf" bezeichnet), auf die Regierung der CSSR einzuwirken.

So drängte man Dubček bereits bei dem Treffen am 23. März 1968 in Dresden dazu, die Reformen wieder rückgängig zu machen und den politischen Reformkurs zu korrigieren. Dennoch wurden frühzeitig auch militärische Vorbereitungen für einen Einmarsch in die CSSR getroffen, für den Fall, dass sich die Lage in der CSSR nicht mehr allein auf politischem Weg "stabilisieren" ließe. Neben der bulgarischen, ungarischen und polnischen Armee wurde auch die Nationale Volksarmee der DDR (NVA) in die operativen Planungen der Sowjetunion mit einbezogen. Vor dem Hintergrund gemeinsamer Übungen und Manöver konnte eine zügige Truppenstationierung in der CSSR und entsprechende Vorbereitungen einer militärischen Intervention koordiniert werden. Maßgebend dafür waren die gemeinsamen Übungen der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages "Böhmerwald" ("Sumava") und "Donau" ("Dunai").

Die Übung "Böhmerwald", an der auch die tschechoslowakische Armee teilnahm, wurde vom 18. bis 30. Juni 1968 vor allem auf dem Territorium der CSSR durchgeführt. Als mögliches Kriegsszenario diente ein Angriff der NATO-Streitkräfte, der in tschechoslowakischer Operationsrichtung verlief und umfangreiche Gefechtshandlungen auf dem Gebiet der CSSR beinhaltete. Damit wollte die UdSSR beweisen, dass die Stärke der Landstreitkräfte der CSSR nicht für die erfolgreiche Verteidigung des gesamten Grenzverlaufes ausreichte. Schon früher hatte die UdSSR vergeblich versucht, sowjetische Truppen auf dem Territorium der CSSR zu stationieren. Aber auch nach der Übung "Böhmerwald" gelang es der UdSSR nicht, dauerhaft eigene Streitkräfte in der CSSR zu dislozieren. Sollte die Übung "Böhmerwald", die als unmittelbare Vorbereitung auf die militärische Intervention in der CSSR diente, noch einmal die Macht und Stärke der Verbündeten demonstrieren und auf die "konterrevolutionären Kräfte" einschüchternd wirken, so erfolgte am 21. August 1968 unter dem Deckmantel der Übung "Donau" der eigentliche Einmarsch in die CSSR.

Seitens der NVA waren für die Übung "Donau" die 7. Panzerdivision (7. PD) und die 11. Motorisierte Schützendivision (11. MSD) vorgesehen, die bereits seit dem 29. Juli 1968 dem sowjetischen Oberkommando unterstellt waren und für den Einmarsch in die CSSR bereitstanden. Entgegen aller Planungen verließen die für den Einmarsch bereitstehenden Kampfverbände der NVA jedoch weder am 20. oder 21. August 1968 noch in den Tagen danach das Territorium der DDR. Die 7. Panzerdivision und die 11. Motorisierte Schützendivision der NVA wurden kurzerhand in die Reserve versetzt. Die NVA beteiligte sich trotz der ursprünglichen Absicht nicht mit Kampftruppen am Einmarsch in die CSSR.

Dennoch erfolgte in den Medien der DDR eine von der Parteiführung initiierte und manipulierte Berichterstattung, die ein ganz anderes Bild zeichnete. Mit fingierten Filmaufnahmen und falschen Pressebeiträgen wollte man den Eindruck erwecken, dass die NVA sehr wohl am Einmarsch in die CSSR beteiligt war und einen wichtigen Beitrag zur Verteidigung des Sozialismus im System des Warschauer Vertrages leistete. Der eigentliche Abschluss der Operation "Donau" zog sich noch bis in den Oktober des Jahres 1968 hin.

Am 16. Oktober 1968 wurde in Prag der Stationierungsvertrag zwischen der CSSR und der Sowjetunion unterzeichnet. Danach sollten ca. 75000 sowjetische Soldaten unter dem Namen "Zentralgruppe der sowjetischen Streitkräfte" zunächst in zwölf Standorten auf dem Territorium der CSSR verleiben. Die 7. Panzerdivision und die 11. Motorisierte Schützen-division der NVA wurden an diesem Tag wieder dem Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) unterstellt und einen Tag später wieder in ihre Kasernen verlegt.

Susanne Meinicke