Hintergrundinformationen
Millionen von Bürgern beider deutscher Staaten beteiligten sich am deutsch-deutschen Austausch von Geschenken per Post: Im Jahr 1965 schickten je 100 Einwohner der Bundesrepublik Deutschland 87 Pakete und Päckchen in die DDR. Das bedeutet, dass jeder Einwohner der DDR im Durchschnitt drei Pakete aus der Bundesrepublik erhielt. Umgekehrt schickten je 100 Einwohner der DDR sogar 128 Sendungen in die Bundesrepublik. Damit entfielen auf 100 Bundesbürger immerhin 40 Pakete "von drüben".1
Historische Dokumente aus beiden deutschen Staaten
In dieser kleinen Ausstellung werden Dokumente von bundesdeutschen Behörden mit solchen von Stellen der DDR in Beziehung gesetzt, darunter sind auch Fotos und Berichte aus dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Auf diese Weise wird es möglich, das Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Zwei Wochenschau-Beiträge geben zeitgenössische Stimmen und Stimmungen wieder.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Austausch von Päckchen und Paketen zwischen Privatpersonen in der Bundesrepublik und der DDR. Dabei werden besonders die Jahre zwischen 1950 und 1970 in den Blick genommen.
Was wurde in den Päckchen verschickt? Welche Akteure waren beteiligt? Welche Hürden waren zu überwinden, bis das Geschenk den Empfänger erreichte?
"Geschenksendung – keine Handelsware"
Während die Bundesrepublik den Postverkehr mit der DDR als Inlandsverkehr begriff, reglementierte die DDR Form und Inhalt der Pakete mit der "Verordnung über den Geschenkpaket- und -päckchenverkehr auf dem Postwege mit Westdeutschland, Westberlin und dem Ausland" vom 5. August 1954. "Westpakete" mussten durch die Aufschrift "Geschenksendung, keine Handelsware" gekennzeichnet werden. Häufige Änderungen hinsichtlich zulässiger Inhalte und Mengen sowie unterschiedliche Auslegungen der Geschenkpaketverordnung sorgten für Irritationen bei den Versendern auf beiden Seiten.
Dekadente Literatur und luftdicht verschlossene Behältnisse
Sender und Empfänger von Päckchen waren in steter Sorge, dass der Inhalt durch Post, Zoll und Staatssicherheit der DDR beanstandet werden könnte.
Zugelassen waren zum Beispiel Grundnahrungsmittel wie Butter und Margarine sowie Genussmittel wie Kaffee und Schokolade, wobei bestimmte Höchstmengen festgelegt waren. Einschränkungen gab es beim Versand von Kleidung (Desinfektion), Medikamenten (durch einen Arzt in der DDR verschrieben) und Büchern (Literatur durfte aus DDR-Sicht weder "dekadent" sein noch einen "antidemokratischen Charakter" haben). Untersagt war es, Zahlungsmittel, Schallplatten, Landkarten und luftdicht verschlossene Behältnisse zu verschicken.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Kontrolle des Postversands zwischen der DDR und der Bundesrepublik durch die Deutsche Post der DDR ungenügend war, wurde sie im Juni 1952 dem Amt für Kontrolle des Warenverkehrs (seit 1954 Amt für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs) übertragen, wobei die Post mitzuwirken hatte. Hierfür wurden acht Kontrollpostämter eingerichtet.
Hetzschriften und "Offiziere im besonderen Einsatz"
Der Staatssicherheitsdienst der DDR (die "Stasi") konzentrierte sich in den 1950er Jahren – damals noch mit eher begrenztem Personalbestand – im Wesentlichen auf die sogenannten organisierten Pakete, z.B. die US-Hilfsaktion "Nachbarliche Hilfe" nach dem Volksaufstand in der DDR im Juni 1953 oder die Paketaktion der "Hilfsgemeinschaft für Notleidende in der sowjetisch besetzten Zone" 1956. Dabei richtete sich das Hauptaugenmerk auf "Hetzschriften" wie westliche Zeitungen und Flugblätter.
Als nach dem Mauerbau 1961 der Paketverkehr sprunghaft anstieg, wurde die Abteilung "Postzollfahndung" des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gegründet, die noch vor dem Zoll Pakete und Päckchen in den DDR-Postzollämtern kontrollierte, öffnete und akribisch durchsuchte. Bis 1960 wurden etwa sechzig "Offiziere im besonderen Einsatz" in der Postzollfahndung eingesetzt: hauptamtliche Stasi-Offiziere, die verdeckt agierten und mit legendierter Biografie ausgestattet waren.
"Dein Päckchen nach drüben"
Das 1949 gegründete Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen war damit betraut, in der Bevölkerung den Willen zur Wiedervereinigung aufrecht zu erhalten. Es bediente sich dabei verschiedener privatrechtlich organisierter Körperschaften, deren Arbeit durch das Ministerium finanziell unterstützt wurde. Plakate und Anzeigen sollten die Bundesbürger dazu ermuntern, die Landsleute in der "SBZ" ("Sowjetisch besetzte Zone") durch Geschenksendungen zu unterstützen. In großer Auflage gedruckte Handzettel und Broschüren erläuterten die Versandvorschriften und gaben Ratschläge für die Zusammenstellung von Päckchen nach "drüben".
Solidaritätspakete für westdeutsche Arbeiter und "Friedenskämpfer"
Während zahlreiche DDR-Bürger auf privater Ebene Päckchen in die Bundesrepublik schickten, wurde durch die DDR-Führung offiziell vor allem der organisierte Versand, zum Beispiel durch Betriebe, propagiert. Die Sendungen sollten vor allem solchen westdeutschen Bevölkerungsgruppen zukommen, bei denen man eine Unterstützung sozialistischer Ziele vermutete, wie zum Beispiel Arbeitern und Bergleuten im Ruhrgebiet oder inhaftierten "Patrioten" und "Friedenskämpfern".
"Staatsgefährdende Schriften"
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen war seit den frühen 1950er Jahren beunruhigt über die zahlreichen als propagandistisch eingeschätzten Druckschriften, die auf dem Postweg aus der DDR in die Bundesrepublik kamen. Da das Postgeheimnis als Grundrecht im Grundgesetz verankert ist, tat man sich jedoch schwer, Postsendungen daraufhin durchsuchen zu lassen. Nach langwierigen Erörterungen mit dem Justiz-, Finanz- und Postministerium fand sich ein Ausweg unter Bezug auf alliierte Vorschriften, die vor Gründung der Bundesrepublik erlassen worden waren. Dabei wurde die Entscheidung im Grunde zunächst den einfachen Postbeamten überlassen, bevor mit dem Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote (GÜV) vom 24. Mai 1961 tragfähigere rechtliche Regelungen geschaffen wurden.
1Elisabeth Pollack: Die Verkehrsbeziehungen zwischen der BRD und der DDR auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens. Diplomarbeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 1967 (Bundesarchiv, B 257/21529)
Literatur:
Konstanze Soch: Eine große Freude? Der innerdeutsche Paketverkehr im Kalten Krieg (1949-1989), Frankfurt/Main 2018
Josef Foschepoth: Überwachtes Deuschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, Göttingen 2012